Es war einmal ein Deutschland, das völlig undigitale Behörden hatte – also vor gar nicht allzu langer Zeit.
Wenn man da beim Finanzamt eine Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung erwirken wollte, dann rief man an oder schickte einen Brief.
Später konnte ich für solche Wünsche eine eMail senden, denn: Germany has been going modern!
Dieses Jahr wollte ich das erneut tun – weil es sich jedoch um eine steuerrelevante Nachricht handelt, soll ich mich nun mit meinem Elster-Zertifikat ausweisen.
Das wiederum hatte ich vor Jahren erstellt und sogar zwischenzeitlich erneuern müssen, weil es abgelaufen war. Sollte also kein Problem sein!
Wir kennen Murphy’s Law – und natürlich fand ich sofort das ungültige Uralt-Zertifikat – jedoch nicht die neuere Datei-Variante. Das Teil wird sicherlich auf irgendeiner meiner unzähligen Sicherungsfestplatten liegen, doch bei meinem Glück bin ich tagelang damit beschäftigt, bis ich diese mickrige Teil gefunden habe.
„Schneller ist es, wenn ich mir die online erneut herunterlade“, dachte ich und hatte weder Drogen genommen, Alkohol verzehrt noch eine rosarote Brille auf, für diesen törichten Gedanken.
Beim Versuch des Logins sollte ich den Benutzernamen angeben und die eMail-Adresse, das tat ich auch (wie gut, dass ich mir alles irgendwo analog notiere).
Ich scheiterte mit allen denkbaren Varianten.
Also erst mal eine Mail anfordern, mit der Bekanntgabe meines Benutzernamens.
Die Rückmeldung traf überraschen schnell ein. Ich erhielt nur den Hinweis, dass es für mich keinen Account gäbe.
???
Meine Mailadresse nutze ich seit vielen Jahrzehnten und über 10 Jahre habe ich mit Elster meine Steuererklärungen durchgeführt, bevor ich seit drei Jahren ein Produkt verwende, das nicht von der IT einer Behörde erstellt wurde und – wen wundert’s – wesentlich komfortabler bedienbar wie auch leistungsfähiger ist.
Also durfte ich nun mich komplett neu anmelden und natürlich reicht es nicht aus, dass ich die intimen Daten wie Geburtstag, Steuernummer und Steuer-ID kenne. Das könnte auch irgendein Unhold sein oder Unholdin, die mit meiner Zertifikatsdatei in bösartiger Absicht meine Frist verlängern oder meine Steuererklärung erstellen möchte.
Ich bekam einen langen ID-Code per Mail, den ich mit einem weiteren Code, den ich per Post erhalte, dann online nutzen kann, um überhaupt in die Lage gebracht zu werden, eine neue Zertifikatsdatei zu erstellen, um dann die Möglichkeit zu erlangen, eine Fristverlängerung zu beantragen. IRRE!!!
Bisheriger Zeitaufwand für mich: mehr als 1-1/2 Stunden!
Natürlich ist das (bei meinem Körperbau) ein sehr kleiner Wetteinsatz, wenn ich meinen Hintern darauf verwette, dass danach meine Steuersoftware ausflippen wird und das Erstellen des neuen Zertifikats dann sicherlich noch die Online-Funktion des Personalausweises benötigt oder ich mich per Video als Mensch ausweisen darf; zudem wissen muss, was ich am 23.8.2011 mittags gegessen habe und wie der Spitzname meines Ur-Ur-Großvaters mütterlicherseits lautete.
Realistisch betrachtet ist die Chance größer, dass ich bis zum erfolgreichen Abschluss der Angelegenheit die Frist versemmelt habe, wie die Option, dass das eigentlich Erstellen nun ein Kinderspiel von wenigen Minuten ist.